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IM FOKUS
UNGLEICHE PARTNER. DIE SPANISCHE
MONARCHIE UND DIE HANSESTÄDTE,
CA. 1570–1700
In der Veröffentlichungsreihe des beziehungen konzentriert sich Strategien des Verbergens und
Instituts werden Forschungser- die Studie dabei nicht allein auf Verstellens. Über ihren konkre-
gebnisse von Wissenschaftler:in- die vermeintlichen Hauptakteure ten Gegenstand hinaus lässt die
nen publiziert, die am Institut und Träger frühmoderner Staat- Studie die Frühe Neuzeit daher als
tätig sind oder waren. Die Publika- lichkeit, sondern auch andere eine Epoche der Uneindeutigkeit
tionen spiegeln das wissenschaft- Akteursgruppen. Die Arbeit zeigt, und der Vielfalt erscheinen.
liche Wirken und Potenzial des wie sie neben politischen Funk-
Instituts wider und gewährleisten tionsträgern und Gesandten als Thomas Weller:
einen Transfer in die Gesellschaft. kulturelle Mittler und Grenzgänger Ungleiche Partner.
Als Band 270 der »Veröffentlichun- in besonderer Weise zur Bewälti- Die spanische Monarchie und
gen des Instituts für Europäische gung von Differenz beitrugen. die Hansestädte, ca. 1570–1700,
Geschichte Mainz« (VIEG) erschien So lässt sich herausarbeiten, Vandenhoeck & Ruprecht,
im November 2023 die Habilitati- dass die Bedeu tung religiöser 2023, 670 Seiten,
onsschrift von IEG-Wissenschaft- Diffe renz als Kon fliktfaktor im ISBN 978-3-525-30246-0,
ler Thomas Weller. Unter suchungs zeit raum tenden- eISBN 978-3-666-30246-6,
Thomas Weller habilitierte sich ziell ab nahm. Schon im letzten URL: <https://doi.org/10.13109/
2023 u. a. mit der Arbeit zu Drittel des 16. Jahrhun derts waren 9783666302466>
»Un gleiche Partner« an der JGU. die Beteiligten mithin zu einem er-
Die spanische Monarchie und staunlich pragmatischen Umgang
die Hansestädte waren gleich in mit dem Konfessionsgegensatz in
mehr facher Hinsicht »ungleiche der Lage. Vor diesem Hintergrund
Partner«. Trotz kultureller Unter- ist vor allem das bis heute von der
schie de und Gegensätze kam es sogenann ten »schwarzen Legen-
zwischen der katholischen Welt- de« beein flusste Bild der spani-
macht Spanien und den mehr- schen Monar chie als vermeint-
heit lich protestantischen Han se- lichem Hort religiöser Intoleranz
städten seit dem letzten Drit tel zu modifizieren. »Nationale«
des 16. Jahrhunderts zu einer Zuge hörigkeit wie derum spielte,
wirtschaftlichen und politischen besonders im Kontext von Kriegen
Annäherung, von der beide Sei- und Handelsembargos, schon vor
ten profitierten. Diesen von der dem 18. Jahrhundert eine größere
For schung lange vernachlässigten Rolle als lange angenommen.
Vorgang zeichnet die Studie erst- Auch sprachliche Verständigungs-
mals auf breiter Quellen grund- schwierigkeiten hatten zum Teil
lage nach und eröffnet damit schwerwiegende Konsequenzen
zugleich einen neuen Blick auf auf dem Feld der Außenbeziehun-
die Ge schich te frühneuzeitlicher gen. Das mit Abstand größte
Außenbe ziehungen. Hindernis aber waren die stän-
Im Mittelpunkt steht die Frage, disch-sozialen Unterschiede
wie es Vertretern beider Seiten zwischen den Akteuren bzw. die
gelang, bestehende Differenzen Inkompatibilität der jeweiligen po-
und kommunikative Barrieren litischen Systeme. Missverständ-
zu überbrücken und wie sich nisse und Deutungskonflikte auf
ihre Praxis auf die Ausbildung, dieser Ebene waren oft schwerer
Verfestigung oder auch Verflüssi- zu vermitteln als unterschied-
gung von kulturellen Fremd- und liche Glaubenswahrheiten.
Selbstzuschreibungen auswirkte. Auf allen Ebenen reagierten die
Im Anschluss an ein erweitertes Akteure auf Tendenzen zur Ver-
Konzept frühneuzeitlicher Außen- eindeutigung von Differenzen mit
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