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IM FOKUS
MOBILITÄT UND DIFFERENZIERUNG.
ZUR KONSTRUKTION VON UNTERSCHIEDEN
UND ZUGEHÖRIGKEITEN IN DER
EUROPÄISCHEN NEUZEIT
Der Sammelband »Mobilität und bedingten vorhandene oder und Exklusion verbunden waren.
Differenzierung« geht auf die veränderte Zugehörigkeiten die Die Publikation wurde aus Mit-
Konferenzreihe des IEG in den Mobilität von Akteuren. Selbst teln des Sonderforschungs
Jahren 2020 bis 2022 zurück, die wahrgenommene und von außen bereichs 1482 »Humandifferenzie-
zentrale Ergebnisse und Erkennt- zugeschriebene Eigenschaften rung« (s.S. 62►) gefördert.
nisse des Forschungsprogramms mobiler Akteure führten oft zu
2017 bis 2023 mit internationalen sich überlagernden, einander ver-
Expert:innen diskutierte, um neue stärkenden oder auch widerspre-
Forschungsperspektive aufzu chenden Zugehörigkeiten.
zeigen. Vor diesem Hintergrund plädiert
Der Band verknüpft methodisch der Band für ein nuanciertes Nar-
theoretische Perspektiven auf rativ, welches das stetige Wachs-
»Mobilität und Differenzierung«, tum von Mobilitätspotenzialen in
wie sie in unterschiedlichen Diszi- der europäischen Neuzeit ebenso
plinen (Geschichtswissenschaft, hinterfragt wie die kontinuierliche Sarah Panter /
Soziologie und Ethnologie) disku- Zunahme globaler Verflechtung. Johannes Paulmann /
tiert werden. Seine empirischen Die Beiträge machen Diskontinu- Thomas Weller (Hg.):
Fallbeispiele lassen in der Gesamt- itäten, Umbrüche und schubar- Mobilität und Differenzierung.
schau ein epochenübergreifendes tige Veränderungen sichtbar. Sie Zur Konstruktion von Unterschieden
Panorama entstehen. hatten wiederum Auswirkungen und Zugehörigkeiten in der
Im Mittelpunkt der Beiträge ste auf die Konstruktion von Differenz euro päischen Neuzeit,
hen mobile Akteure, wie Kauf- und Zugehörigkeiten in Europa Vandenhoeck & Ruprecht,
leute, Soldaten, Glaubens und und anderen Weltregionen. Auf Göttingen 2023, 288 Seiten,
Revolutionsflüchtlinge sowie diese Weise lassen sich multiple ISBN 978-3-525-30216-3,
Migrantinnen und Migranten. Prozesse der räumlichen und auch Open Access:
Sie waren nicht nur in grenzüber- sozialen Verflechtung und Ent- eISBN 978-3-666-30216-9,
schreitende Netzwerke eingebun flechtung beobachten; es geraten URL: <https://doi.org/10.13109/
den, sondern schrieben sich – Transitzonen und transregionale 9783666302169>
etwa im Osmanischen Reich, in Räume in den Blick, die indivi-
England und den Niederlanden, in duelle Handlungsmacht ermög-
Lateinamerika oder auf den globa lichten, aber auch von kontext-
len Schlachtfeldern des Sieben- bedingten Machtstrukturen
jährigen Kriegs – selbst in neue geprägt waren.
Kontexte ein oder wurden dort als Der epochenübergreifende Blick
Fremde kategorisiert. Durch die auf Mobilität und Differenzierung
gesellschaftlichen Dynamiken in zeigt, dass sich weder epochen
diesen Kontaktzonen entstanden noch kulturspezifische Leitka-
oft Mehrfachzugehörigkeiten, die tegorien der Differenzierung
zugleich auch Aufschluss über die festmachen lassen. Vielmehr kam
politischsozialen Partizipations- es in unterschiedlichen Konstella-
möglichkeiten und bestrebun tionen zur Überlagerung von ver-
gen mobiler Akteure geben. schiedenen Differenzkategorien,
Im Ergebnis zeigt sich, dass die sich wechselseitig verstärk-
Mo bilität bestehende politische, ten, in Konkurrenz zueinander
soziale, religiöse und regionale traten, sich aber auch neutralisie-
Zugehörigkeiten in Frage stellte ren konnten und mit gesellschaft-
oder veränderte. Umgekehrt lichen Prozessen der Inklusion
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