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BEWEGTE LEBEN.                                    man das tun, musste man u. a.nachweisen, dass man
            MOBILE IDENTITÄTEN UND                            selbst und die Vorfahren katholisch waren. In der
            ZUGEHÖRIGKEITEN IM IBERISCHEN                     Praxis gab es jedoch vielfältige Möglichkeiten, diese
            ATLANTIK (1570–1700)                              Reise beschränkungen zu umgehen. Auf obrigkeit-
                                                              liche Migrationsregime reagierten die Betroffenen
            Thomas Weller                                     mit Praktiken der Dissimulation und Verstellung.
            Seit 2018                                         Das hatte Einfluss auf die »biographische Naviga­
            Institutionelle Förderung                         tion« der Akteure und führte häufig zur Ausbil-
                                                              dung von Mehrfachzugehörigkeiten und hybriden
                                                              Iden  ti täten.
            Anhand von ausgewählten transatlantischen Bio­    Nach einer längeren Unterbrechung aufgrund einer
            graphien fragt das Projekt nach dem Zusammen­     Lehrstuhlvertretung wurde die Arbeit am Projekt
            hang zwischen Mobilität und Zugehörigkeiten aus   im August 2023 wieder aufgenommen. In den letz-
            akteurszentrierter Perspektive. Dabei richtete sich   ten Monaten wurde das Spektrum der untersuchten
            der Blick zunächst auf fremde Kaufleute, die sich in   Personen erweitert. Neben Protestanten rückten
            Sevilla ansiedelten, um sich von dort aus am Ame-  weitere Akteure in den Blick: etwa flüchtige Sklaven
            rikahandel zu beteiligen. Doch nur im Land Gebür-  (sogenannte cimarrones), Indigene oder mestizos,
            tige und sogenannte »naturalisierte« ausländische   die zum Teil mehrfach den Atlantik überquerten,
            Kaufleute durften mit den spanischen Besitzungen   sowie weibliche Reisende, die die Reise in Männer­
            in Übersee Handel treiben, und nicht allen war es   kleidern antraten und in der Neuen Welt eine
            offiziell erlaubt, den Atlantik zu überqueren. Wollte   neue Identität annahmen.
















































            Die drei Porträtierten waren Nachkommen versklavter Afrikaner, die sich im 16. Jahrhundert indigenen Gemeinschaften an der Pazifikküste
            des heutigen Ecuador anschlossen. Auffällig ist die Kombination europäischer und indigener Trachten. Andrés Sánchez Galque, Los tres
            mulatos de Esmeraldas, Öl auf Leinwand, 1599, Museo de América, Madrid.



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