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WEGE DER MÖNCHE – WEGE DER DIFFERENZ IM ALLTAG.
MACHT. DIE DONAUFÜRSTENTÜMER DIPLOMATIE ALS KOLLEKTIVE PRAXIS
ALS KNOTENPUNKTE IM IM FRÜHNEUZEITLICHEN ISTANBUL
TRANSIMPERIALEN RAUM
Florian Kühnel
MihaiD. Grigore Seit 2023
2018–2020 Institutionelle Förderung, Institutionelle Förderung
ab 2022 Förderung der Gerda Henkel Stiftung (GHS)
Um die herkömmliche binäre Gegenüberstellung
Das Projekt untersucht die Verbindung zwischen von europäischer und osmanischer Diplomatie zu
Mobilität und Herrschaftsbildung in ihrer gegen- überwinden, fragt das Projekt nach der Rolle von
seitigen Bedingung im transimperialen orthodoxen Differenz in der (vor allem englischen) alltäglichen
Raum Südost und Osteuropas zwischen dem 14. Diplomatie im frühneuzeitlichen Istanbul. Ein sol-
und dem 17. Jahrhundert. Hauptziel ist, die Mobili- ches Vorgehen unterscheidet sich nicht nur von der
tät von religiösem Wissen und religionspolitischer klassischen, an großen Staatsaktionen interessierten
Programmatik als Ressource der Herrschaftsbildung Diplomatiegeschichte, sondern auch von der jün-
zu beleuchten. Die Analyse baut auf Einflussträgern geren kulturgeschichtlich orientierten Forschung.
aus dem mönchischen Bereich auf. Die Itinerarien von Zum einen weitet das Projekt den Kreis der – sowohl
vier Mönchen werden im riesigen transimperialen männlichen als auch weiblichen – Akteure massiv aus.
Raum von Antiochien bis Moskau unter der Berück- Diplomatie wird damit nicht mehr länger als indivi-
sichtigung der jeweiligen Vernetzung, Umgebung duelle Leistung einzelner »großer Persönlichkeiten«,
und politischreligiösen Konstellation verfolgt. Sie sondern als »kollektive Praxis« konzeptionalisiert.
zeigen, wie transregionale polyzentrische Kommu- Zum anderen werden auf Grundlage eines erwei-
nikationsräume entstehen. Die Problematik wird terten Diplomatiebegriffs nicht mehr in erster Linie
am Beispiel der Fürstentümer Walachei und Moldau Audienzen und andere höfische Zeremonien, sondern
veranschaulicht, die die erwähnten Itinerarien der Alltag frühneuzeitlicher Diplomatie untersucht.
(diachron gesehen) bündelten und als Drehscheiben Das betrifft etwa die administrativen Abläufe inner-
von Mobilitätsströmen im transosmanischen Kom- halb der Botschaften, die Kommunikation innerhalb
munikationsraum fungierten. Durch diese Funktion des »diplomatischen Milieus«, aber auch die Beschaf-
wurden sie überhaupt als eigenständige Herrschaften fung von Informationen und Spionage. Ziel ist, hinter
hervorgebracht. Das Vorhaben möchte u. a. einen die stark ritualisierten Begegnungssituationen und
Beitrag zur Heuristik des »Transosmanischen« und die dort ausgefochtenen Symbolkonflikte zu blicken
der »polyzentrischen Ordnungen« leisten. Im Jahr und auf diese Weise die (diplomatischen) Grenzen
2023 wurde neben einem Forschungsaufenthalt in Europas neu zu vermessen.
der Synodalbibliothek des Rumänischen Patriarchats Im Jahr 2023 wurden wesentliche Aspekte des Pro-
in Bukarest intensiv an der Niederschrift gearbeitet. jekts zur für Istanbul charakteristischen »indirekten
Im Jahr 2023 erschien eine mit der Gerda Henkel Stif- Diplomatie« in einem englischsprachigen Aufsatz zu-
tung erarbeitete und gefilmte DokuReihe auf dem sammengefasst. Außerdem wurden weitere kleinere
L. I. S. A. Wissenschaftsportal. Beiträge verfasst, etwa zur »Audienz« in der Frühen
Neuzeit oder zu den Istanbuler Stadtteilen Galata
Zur DokuReihe »Wege der Mönche – Wege der Macht«: und Pera.
URL: <https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/
transimperial>
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