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FORSCHUNG
Im Jahr 2023 schloss das IEG das Forschungsprogramm Mobilität erfahrbar gemacht und reflektiert wurden.
»Umgang mit Differenz im Europa der Neuzeit« ab. Daran anschließend, untersuchten die Projekte die
Über einen Zeitraum von zwölf Jahren hatte das Ins- Bedeutung von Mobilität und – räumlichen, sozialen
titut in zwei Phasen (2012 bis 2017 und 2018 bis 2023) und ideellen – Transgressionen für individuelle und
mit unterschiedlichen Schwerpunkten untersucht, wie gruppenspezifische Prozesse. Sie konnten exempla-
Andersartigkeit und Ungleichheit in der europäischen risch zeigen, wie transnationale und transkulturelle
Geschichte der Neuzeit reguliert und begrenzt, aber Grenzüberschreitungen auf religiöse, ethnische,
auch hergestellt und bewahrt wurden. Die Forschun- kulturelle, soziale und geschlechtsspezi fische Zuge-
gen am IEG blickten zugleich auf die inneren und äuße- hörigkeiten einwirkten.
ren Grenzen Europas selbst, deren Verlauf vielfältigen Darüber hinaus reflektierte und förderte das IEG die
Aushandlungsprozessen unterworfen war und ist. digitale Transformation historischer Forschung und
Publikation. Die drei Forschungsbereiche bezogen im
In der zweiten Phase von 2018 bis 2023 gliederte sich Dialog mit dem DH Lab des IEG digitale Methoden,
das Forschungsprogramm in drei epochenübergreifen- Verfahren und Instrumente in ihre Arbeit ein – etwa
de Forschungsbereiche: die Netzwerkanalyse, die automatische Informati
(1.) Der erste Forschungsbereich behandelte das kon onsextraktion oder die Visualisierung von Geodaten.
fliktbehaftete Zusammenspiel von Pluralisierung und Zugleich brachte das IEG die gemeinsame Nutzung
UMGANG MIT DIFFERENZ IM
EUROPA DER NEUZEIT
Marginalität. Die Forschungen arbeiteten heraus, und Nachnutzung digitaler Forschungsdaten und
welche Herausforderungen die Pluralität für das deren Einbindung in wissenschaftliche Publikationen
Streben nach Einheit bedeutete, und unter welchen voran.
Umständen sich Wertschätzung oder Ablehnung von Um die Ergebnisse des Forschungsprogramms zum
Vielfalt und Vielheit entwickelten. Dabei haben meh- »Umgang mit Differenz« in fokussierter Form zur
rere Projekte untersucht, wie Individuen und Grup- Diskussion zu stellen und Begrifflichkeit, Fragestel
pen in eine marginale Position gerieten bzw. diese lungen und Perspektiven des Forschungsprogramms
gezielt für ihre Anliegen einsetzen konnten, und wie zu reflektieren, veranstaltete das IEG in den Jahren
bestimmte Akteure beanspruchten, Fürsprache und 2020 bis 2022 mit internationalen Expert:innen die
Anwaltschaft für marginalisierte Gruppen zu leisten. Konferenzreihe »Ein Europa der Differenzen«. Die
(2.) Im zweiten Forschungsbereich ging das IEG der Ergebnisse wurden 2022 / 2023 in vier Bänden veröf-
gesellschaftlich wirksamen Dialektik der Sakralisie fentlicht (s.S. 22►, 33►, 149►, 113f.►).
rung und Desakralisierung handlungsleitender Vor Zudem hat das IEG zwischen 2016 und 2023 in der
stel lungen nach. Die Forschungen fragten danach, deutschenglischsprachigen Open AccessPublikation
wie »Sakralität« als verhandelbare Ressource zur »Ortstermine | On site, in time« Ergebnisse seines For-
Herstellung und Überbrückung von Differenz akti- schungsprogramms zum »Umgang mit Differenz« über
viert oder aufgegeben wurde. Unter dieser Fragestel- konkrete historische Ereignisse für eine geschichtsin-
lung konnten zahlreiche neue Erkenntnisse zu den teressierte Öffentlichkeit aufbereitet. Die Artikel
Verflechtungen von Religion, Politik und Gesellschaft behandeln lokale Geschehnisse in insgesamt 76 Orten,
einschließlich des menschlichen Umgangs mit in denen sich exemplarisch der vielfältige und konflikt
»sakralisierter« Natur gewonnen werden. reiche Umgang mit Differenz in der Geschichte Euro-
(3.) Der dritte Forschungsbereich Mobilität und pas verdichtet. Bis Ende 2023 wurden die »Ortstermi-
Zugehörigkeit ging von der Erkenntnis aus, dass ne« kontinuierlich ausgebaut, technisch konsolidiert
Differenzerfahrungen in besonderem Maße durch und für die zukünftige Nutzung optimiert.