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SELBSTMARGINALISIERUNG EUROPÄISCHE RELIGIONSFRIEDEN
DER TÄUFER. »ABSONDERUNG« DIGITAL (EuReD)
ALS THEOLOGISCHES KONZEPT
UND GESELLSCHAFTLICHE PRAXIS Irene Dingel (Leitung, AdW Mainz),
BEI DEN TÄUFERN DES 16. BIS Thomas Stäcker (Leitung, ULB Darmstadt),
18. JAHRHUNDERTS Jan Martin Lies (AdW Mainz, seit Januar 2023),
HansOtto Schneider (AdW Mainz, seit Januar 2023),
Henning P. Jürgens Christopher VoigtGoy (IEG / AdW Mainz),
Seit 2020 Kevin Wunsch (ULB Darmstadt)
Institutionelle Förderung 2020–2040
Finanziert durch das Langfristprogramm der Union
der deutschen Akademien der Wissenschaften,
Aus der religiösen Pluralisierung im Zuge der Refor- angesiedelt an der AdW Mainz, in Kooperation
mation Wittenberger und Schweizer Prägung gingen mit dem IEG und der ULB Darmstadt
bald auch die ersten »Täufer« hervor. Sie verbanden
einen radikalen Biblizismus mit Forderungen nach
Reformen der Kirche und des Lebens. Die Praxis der Der konstruktive Umgang mit religiöser und kon
Glaubenstaufe von Erwachsenen wurde namensge- fessioneller Pluralität ist eine Aufgabe, die sich nicht
bend für diese Gruppen. Nach 1525 begannen jedoch erst in der Gegenwart stellt. Richtungsweisend für
die weltlichen Obrigkeiten in der Schweiz und weiten alle neuzeitlichen Koexistenzformen wurde das
Teilen Deutschlands, die Täuferischen zu kriminalisie- Entstehen von »Religionsfrieden« seit dem 16. Jahr-
ren, sie zu vertreiben oder hinzurichten. Einige Täufer hundert, die besonders nach der Reformation das
und Täuferinnen reagierten auf die Verfolgung mit Zusammenleben der christlichen Konfessionen
der Forderung an sich, sich als die »wahren Christen« politischrechtlich ordneten. Ziel des Vorhabens ist
von der als sündig und unchristlich verstandenen es, durch eine digitale Edition solcher politischrecht-
Welt abzusondern und fernzuhalten. In der Folge lichen Koexistenzregelungen und deren historische
entwickelten sie unterschiedliche Formen radikal- Kontextualisierung einen Schlüssel für das Verständ-
christlicher Existenz: vereinzelt im Untergrund, in nis der europäischen Vormoderne anzubieten, der
geduldeten Gemeinschaften oder in rein täuferischen auch gegenwärtige Entwicklungen problembewusst
Siedlungen mit kommunitären Lebensformen. Immer einzuschätzen erlaubt.
wieder sahen sich diese Gruppen gewaltsamer Mar- Das Projekt »EuReD« bearbeitet zwölf Editionsmo
ginalisierung und Verfolgung ausgesetzt, der sie oft dule, die neben territorialen Regelungen auch solche
nur durch Migration entkommen konnten. Seit dem in Handels, Bündnis und Friedensverträgen zwi-
17. Jahrhundert wandelte sich die bewusste Selbst- schen den europäischen Staaten sowie Eheverträge
separierung in diverse Formen der Assimilation. Im konfessionsverschiedener adliger Herrscherhäuser
Mittelpunkt des Projekts stehen die rechtlichen Rah- beinhalten. Die Edition bietet durch ihre Einleitun-
menbedingungen für täuferische Gruppen sowie die gen Einblicke in eine Religionsfriedenspraxis, die im
kommunikativen Strategien und alltagspraktischen »Kommunikationsraum Europa« schon sehr früh ein-
Konsequenzen, mit denen sie auf den gesellschaftli- setzte. Die Texte werden kommentiert, durch digitale
chen Druck reagierten. Im Jahr 2023 wurde die Erfas- Methoden erschlossen und im OpenAccess verfügbar
sung der Rechtsquellen fortgesetzt und das Projekt gemacht. Im Jahr 2023 wurden die editorischen Ar-
in einem Kolloquium präsentiert. beiten fortgeführt und erste Anwendungsszenarien
für digitale Methoden entworfen.
Zur Website:
URL: <https://eured.de>
14 IEG-Jahresbericht 2023 | Forschung