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im historischen Gedächtnis bis heute untersucht. Lab 3.2 Praktiken der Aneignung
Die Initiative bringt Historiker:innen des östlichen Projekt »Interreligious Appropriations: Media,
Mittelmeerraums, Lateinamerikas und Westeuropas Modes and Practices of Coping with Religious Diver-
zusammen. Durch einen Vergleich der beiden impe- sity in the Global History of Eastern Christianity«
rialen Expansionen miteinander wollen die Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler herausarbeiten, Stanislau Paulau
wie diese Expansionen den Umgang mit Vergangen-
heit in unterschiedlichen Weltregionen veränderten In diesem Projekt fand im Jahr 2023 die Tagung
und historische Wertehorizonte bestimmten. Wäh- »Inter religious Appropriations: Modes and Practices
rend der erste Workshop der Initiative im Frühjahr of Coping with Religious Diversity in the Global History
2022 auf zeitgenössische Erzählungen der Eroberun- of Christianity« (22.–24.06.2023) am IEG statt.
gen und Verluste fokussiert hatte, lenkte die zweite Der Umgang mit Geschichte stellt eine zentrale
Veranstaltung im Jahr 2023 den Blick auf die mate- Dimension interreligiöser Begegnungen dar.
rielle Dimension der osmanischen und spanischen Geschichte dient den Religionsgemeinschaften als
Expansionen. Die Beitragenden zeigten, wie sich die wesentliches kulturelles Instrument, das sowohl
Bedeutung und Nutzung von Objekten früherer Zivi- der Identitätsstiftung dienen kann als auch der
lisationen durch die Eroberungen veränderten und Herstellung von Differenz, um religiöser Vielfalt
wie diese Objekte gleichzeitig die neu entstehenden Sinn zu verleihen. Doch welche Rolle spielt in diesen
Gesellschaften und Kulturen prägten. Dabei gingen Prozessen die Geschichte der jeweils anderen Religi-
die Wissenschaftler:innen sowohl auf Siedlungen onsgemeinschaften? Wie und mit welchen Absichten
und Bauwerke ein, die weiter genutzt, überschrieben wird sie rezipiert, (um)gedeutet und angeeignet?
oder zerstört wurden, als auch auf »traveling ob- Ziel der Tagung war es, das analytische Konzept der
jects«, die durch die Eroberungen in andere Weltregi- »inter religiösen Aneignung« zu entwickeln, an Fall-
onen gelangten und so Vergangenheitskonstruktionen beispielen zu erproben und kritisch zu reflektieren.
ihrer Herkunftsregion exportierten. Eine dritte Gruppe Der Schwerpunkt lag dabei auf den Medien, Modi
von Beiträgen widmete sich Orten und Objekten, die und Praktiken der Aneignung »fremder« religiös
aufgrund der Eroberungen in Vergessenheit geraten konnotierter Geschichtserzählungen in der Global-
waren und erst später »wiederentdeckt« oder als geschichte des Christentums. Mit dieser innovativen
historisch wertvoll betrachtet wurden. Perspektivierung trug die Tagung zu einem besseren
Verständnis von Aneignungsprozessen im Kontext
globaler Religionsgeschichte bei. Zugleich leistete
sie einen Beitrag zum Diskurs über interreligiöse
Lab 2.3 Entgrenzungen: ZeitRaumWahrnehmungen Beziehungen und bot wertvolle Impulse für die weitere
des Anthropozäns Forschung in diesem dynamischen und bedeutenden
Projekt »Die Wildnisse des Anthropozäns: Feld.
Zum Wandel raumzeitlicher Referenzen im inter
natio nalen Naturschutz« (mit dem DM München)
Bernhard Gißibl
Research Hub 3 »Vergangenheit als öffentliche
Ressource«
Lab 3.1 Streitwert der Vergangenheit
Projekt »Valuing Pasts for Futures: Mobilizing
Historical and Religious Narratives« (mit dem
ZMO Berlin)
Stanislau Paulau
IEG-Jahresbericht 2023 | Forschung 65